Der malerische Friedensplatz in Zlabings (Slavonice)
Der malerische Friedensplatz in Zlabings (Slavonice)
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cs:User:ŠJů, Slavonice-náměstí Míru, CC BY-SA 3.0

Ein Haus mit komplizierter Geschichte

1.6.2021
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Essay
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Tomáš Randýsek

Die Kleinstadt Zlabings (Slavonice) liegt im östlichsten Zipfel der Region Südböhmen, kaum zwei Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt. Das Städtchen mit seinen heute etwa 2500 Einwohnern hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich, auch geprägt durch seine lange Zeit größtenteils deutschsprachige und seit dem 16. Jahrhundert evangelisch-lutherische Bevölkerung.

Heute kann man an den mittlerweile schön renovierten Fassaden im Stadtzentrum wieder Sgraffiti erkennen, die auf die Zeit der Reformation verweisen. Der Friedensplatz (náměstí Míru) im Herzen der Stadt ist gesäumt von Renaissancebauten, die heute wieder an die Glanzzeiten der Stadt an der alten Handelsroute zwischen Wien und Prag erinnern. Ein paar Meter unter der Oberfläche des Platzes kann man eine noch etwas ältere Sehenswürdigkeit erkunden: die Zlabingser Unterwelt. Schon vor dem 14. Jahrhundert entstandene Kellergruben wurden in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu einem Entwässerungssystem verbunden, das Oberflächenwasser zum Burggraben ableitete, bis dieser im 19. Jahrhundert zugeschüttet wurde. Seit 1998 ist dieses ausgeklügelte Tunnelsystem auch für Besucher zugänglich, auch wenn die beengten Ausmaße ausgedehnten Ausflügen gewisse Grenzen setzen.

Ein deutsches Haus

Am Zlabingser Bach, dem natürlichen Wasserlauf, der dem Verlauf des Friedensplatzes an der Südseite hinter der Renaissancehäuserzeile folgt, steht eine weitere Sehenswürdigkeit der Stadt. Im Jahr 1932 errichtete hier ein Zusammenschluss lokaler Vereine der deutschsprachigen Bevölkerung ein gemeinsames „Deutsches Haus“ als Vereinsheim. Dabei nutzten die Architekten die Reste der Stadtbefestigung aus dem 13. Jahrhundert für die Grundmauern. Die erst 2012 bei Erdarbeiten wiederentdeckte Stadtmauer verläuft etwa fünf Meter unter der gesamten Nordwand des Gebäudes in einer Breite von fast einem Meter.

Das „Deutsche Haus“ war nicht als Ort der Begegnung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen vorgesehen. Den hier engagierten Vereinen durften weder Tschechen noch Juden beitreten. Damit bekundete die deutsche Bevölkerung der Stadt ihre fortgesetzte Ablehnung der Zugehörigkeit zur Tschechoslowakei, die sie nach dem Ersten Weltkrieg mit Waffengewalt zu verhindern versucht hatte. Nach dem Einmarsch der Nazis 1938 verließen die tschechischen Bewohner, religiöse und ethnische Minderheiten die Stadt und die Deutschen blieben unter sich.

Das „Deutsche Haus“ blieb aber nur bis 1942 im Eigentum der deutschen Vereine. Danach wurde der Verband aufgelöst und das Gebäude fiel an die Stadt. Am Ende des Zweiten Weltkriegs rückte die Rote Armee in Zlabings ein und nutzte auch das „Deutsche Haus“. Die deutsche Bevölkerung wurde über die österreichische Grenze vertrieben und kam von dort aus meist nach Deutschland. Die so entstandene Lücke füllte man mit neu angesiedelten Tschechen aus anderen Landesteilen auf.

Ohne die Deutschen

Im Saal des ehemals „Deutschen Hauses“ wurde zunächst das Ende des Krieges gefeiert und drei Jahre später auf Anordnung auch die Machtübernahme der Kommunisten. In den 1950er Jahren fanden hier politische Prozesse gegen Bauern statt, die ihr erst kürzlich von den Vertriebenen übernommenes Eigentum nicht in die neuen Produktionsgenossenschaften eingliedern wollten. Hinter dem Haus, am Zlabingser Bach, warteten schon die Transporte darauf, sie und als unzuverlässig eingestufte Lehrer, Ärzte und Gewerbetreibende entweder ins Gefängnis oder an einen neuen Wohnort, weit entfernt von der österreichischen Grenze, brachten.

Nach den politischen Prozessen wurde das Haus wieder zum Treffpunkt für die Bevölkerung. Im Saal fanden Feiern, Theatervorstellungen und Treffen statt. Erst als 1984 ein neues Kulturhaus gebaut wurde, verlor das „Deutsche Haus“ seine Bedeutung als gesellschaftliches Zentrum. Es wurde dann für zwei Jahre nur noch als Kino genutzt.

Großes Kino

Um diese Nutzung permanenter zu gestalten, wurden von der Stadt große Pläne geschmiedet. Durch Anbauten und einen Innenausbau mit großen Treppen sollten bis zu 400 Gäste im Kino Platz finden. Das Haus wurde geschlossen und die Bauarbeiten begannen. Erst die Samtene Revolution machte diesen Plänen wortwörtlich einen Strich durch die Rechnung. Für etwa 15 Jahre blieb das Haus eine abgesperrte Bauruine.

Bei der Erneuerung der Stadt, die jetzt nicht länger auf der rostigen Seite des Eisernen Vorhangs lag, sondern wieder in der Mitte Europas, hatten die Renaissancebauten am Marktplatz Vorrang. Erst 2001 begann sich eine Bürgerinitiative für das heruntergekommene Haus zu interessieren. Zwei Jahre später machte man die ewige Baustelle den Bürgern zugänglich, die hier die Labyrinthe von halbfertigen Treppenhäusern und Sälen bestaunten.

Ein Haus für alle

Das Haus zog aber auch ehemalige deutsche Bewohner Zlabings an und 2003 trafen sie sich hier zum ersten Mal nach vielen Jahrzehnten. So begann ein wichtiges Kapitel der Aufarbeitung der schwierigen Geschichte der Stadt. Die Bürgerinitiative „Slavonická renesanční společnost“ (Zlabingser Renaissancegesellschaft) kaufte schließlich 2005 das Gebäude von der Stadt und übergab es 2006 einer eigens geschaffenen gemeinnützigen Gesellschaft.

Diese rief einen Wettbewerb zur Neugestaltung des Hauses aus. Der Grundstein wurde dann schließlich 2012 gelegt und der neue „Spolkový dům Slavonice“ (Vereinshaus Zlabings) konnte im November 2013 feierlich eröffnet werden (Adresse: Na Potoku 629, 378 81 Slavonice). Entstanden ist ein modernes, offenes Gebäude mit einer einladenden Architektur, in dem neben einem großen Saal auch ein Besucherzentrum und Ausstellungsräume Platz finden. Große Fenster, die bis zum Boden reichen, erlauben schon im Vorbeigehen einen Blick in das Haus, über dessen Eingang ein geweißtes Wappen mit der Jahreszahl 1932 prangt.

Informationen zum aktuellen Programm sowie zu anstehenden Aktionen gibt es auf den Internetseiten des Hauses und auf Facebook.

Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst auf landesecho.cz